Zur Bekämpfung der pandemiebedingten Wirtschaftskrise hat Italiens Regierung im vergangenen Jahr einen gesamtstaatlichen Plan zu Aufschwung und Resilienz (Piano nazionale di ripresa e resilienza) verabschiedet. Dieser Plan, allgemein bezeichnet mit der Abkürzung „PNRR“, ist Bestandteil des europäischen Programms Next Generation EU und dient unter anderem dem Zugang zu den europäischen Finanzierungsfonds für die Wiederankurbelung der Wirtschaft.
Zu den auf Italien entfallenden europäischen Mitteln von 191,5 Milliarden Euro kommen weitere 30 Milliarden Euro aus innerstaatlichen Mitteln. Ein erheblicher Teil wird in nächster Zeit für Maßnahmen der Verbesserung und Modernisierung der italienischen Infrastruktur ausgegeben. Auch für nichtitalienische Anbieter ergeben sich dadurch interessante Möglichkeiten der Beteiligung an öffentlichen Aufträgen in vielen Bereichen.
Einige aufgrund der Pandemiesituation eingeführte Sondervorschriften sollen bei der Vereinfachung und Beschleunigung der komplizierten öffentlichen Vergabeverfahren helfen.
So dürfen Bauaufträge sowie Dienstleistungs- und Lieferverträge bis zu einem Betrag von 150.000 Euro direkt vergeben werden. Für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen beträgt dieser Schwellenwert 139.000 Euro.
Eine wichtige Änderung betrifft die Unterbeauftragung. Das italienische Vergabegesetz sieht vor, daß Unteraufträge nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtauftragsvolumens zulässig sind. Ziel der Regelung ist die Vermeidung der Infiltration durch kriminelle Organisationen.
Der anfänglich geltende Grenzwert von 30% wurde jedoch im September 2019 durch den europäischen Gerichtshofs (EuGH C-63/18) für unionsrechtswidrig erklärt. Der italienische Gesetzgeber entschied sich in der Folge zwar nicht für eine vollständige Abschaffung, erhöhte den Grenzwert aber auf zuletzt 50%.
Trotz der Anhebung des Grenzwerts erweist sich die quantitative Limitierung der Unterbeauftragung in der Praxis oft als Hürde für die Teilnahme ausländischer Bieter an Ausschreibungen. Gerade bei Großprojekten, die Lieferungen und Leistungen aus unterschiedlichen Branchen umfassen, aber als einheitlicher Auftrag vergeben werden, ist die Einschaltung von Subunternehmern unumgänglich. Gleiches gilt für arbeitsintensive Bestandteile solcher Projekte, deren Ausführung durch eigene Mitarbeiter häufig unwirtschaftlich ist.
Durch die seit 1. November 2021 geltende Reform des Vergaberechts entfällt der quantitative Grenzwert nun weitgehend. Stattdessen kann die Vergabestelle in den Ausschreibungsbedingungen festlegen, welcher Teil der zu erbringenden Leistungen als wesentlicher Bestandteil des Auftrags gilt. Nur für diesen Bestandteil gilt dann ein Grenzwert der Unterbeauftragung von 49,9%.
Sehen die Ausschreibungsbedingungen weitere Grenzwerte vor, muß die ausschreibende Stelle dies konkret begründen.
Die bisher bereits bei Angebotsabgabe notwendigen Angaben, welche Bereiche des Auftrags an welchen Unterauftragnehmer vergeben werden sollen, entfallen ebenfalls.
Im Gegenzug sehen die neuen Regeln nun eine umfassende gesamtschuldnerische Haftung des Hauptauftragnehmers und des Subunternehmers vor. Außerdem muß der Subunternehmer seinen Mitarbeitern die gleiche Vergütung zahlen, die der Hauptauftragnehmer seinen Beschäftigten für die maßgeblichen Arbeiten zahlt.
Unverändert weiter gelten hingegen alle übrigen Vorschriften des italienischen Vergaberechts. Wer sich aus dem Ausland für die Beteiligung an Ausschreibungen interessiert, tut deshalb gut daran, sich mit den Besonderheiten rechtzeitig vertraut zu machen. Die Fristen für die Einreichung von Angeboten sind häufig sehr kurz, so daß wenig Zeit bleibt, eventuell fehlende Voraussetzungen rechtzeitig zu schaffen. Auch ist es regelmäßig erforderlich, Unterlagen in italienischer Übersetzung einzureichen.
Neben den Nachweisen der technischen Anforderungen und der wirtschaftlich-finanziellen Leistungsfähigkeit des Bieters gehören zu den einzureichenden Unterlagen stets Belege über das Nichtvorliegen von Ausschlußgründen. Da es sich insoweit um allgemeine Regeln handelt, können und sollten diese Unterlagen bereits im Vorfeld bei den Behörden des Sitzlandes angefordert und übersetzt werden.
Ist es im Unternehmen zu Vorfällen gekommen, die als Ausschlußgründe gelten könnten, sollte eine Dokumentation der getroffenen Maßnahmen des sogenannten self cleaning vorbereitet werden. Dazu gehört etwa die Entfernung der in den Vorfall verwickelten Personen aus dem Management des Unternehmens, aber auch die Einführung oder Verbesserung von Compliance-Systemen.
Eine weitere Besonderheit italienischer Vergabeverfahren besteht in der digitalen Unterzeichnung der Angebotsunterlagen. Die digitale Unterschrift des gesetzlichen Vertreters muß den italienischen Anforderungen entsprechen. Digitale Signaturen aus dem Ausland werden unter bestimmten Voraussetzungen als gleichwertig anerkannt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, sollte der Bieter rechtzeitig prüfen, da andernfalls ein Bevollmächtigter in Italien bestellt werden muß, der die Angebotsunterlagen dann mit seiner digitalen Signatur unterzeichnet und einreicht.